Pressemitteilung, München 28.02.2023
Erdbebengebiet in Syrien: Gefahr durch Blindgänger und Minen unter den Trümmern
Die Gefahr für die Zivilbevölkerung und humanitäre Einsatzkräfte durch Blindgänger ist nach dem Erdbeben enorm hoch. Nicht explodierte Sprengkörper liegen insbesondere im Nordwesten Syriens, dort, wo die gewalttätigen Konflikte seit Jahren anhalten. Sie bedrohen vor allem die zehntausenden Vertriebenen, die in Lagern oder dürftigen Unterkünften leben. Die Hilfsorganisation Handicap International (HI) befürchtet, dass nun viele Blindgänger durch das Beben, Erdrutsche und eingestürzte Bauwerke bewegt wurden und bereits geräumte Gebiete erneut kontaminieren. HI- Spezialist*innen werden deshalb die Risikoaufklärung verstärken: Sie informieren Hilfskräfte, klären in Notunterkünften auf, verteilen Flugblätter und gehen von Haus zu Haus, um die Menschen vor der drohenden Gefahr zu warnen.
„Wir sind mit einem Team von mehr als 30 Spezialisten vor Ort. Zunächst werden wir Räumungsteams aufklären, die in den Trümmern arbeiten und auf verdächtige Gegenstände stoßen könnten. Sie müssen aufpassen und richtig reagieren, um sich zu schützen, denn sie sind derzeit am meisten gefährdet“, sagt HI-Spezialist Musab. Aber nicht nur die Einsatzkräfte sind in Gefahr, auch die betroffenen und oftmals obdachlosen Familien müssen informiert werden. Viele von ihnen leben in teilweise beschädigten oder zerstörten Gebäuden, in denen sich möglicherweise Sprengkörper befinden. „Jeder, der glaubt, einen Blindgänger gefunden zu haben, sollte uns sofort informieren“, so Musab.
Erdbeben hat Gefahr durch Blindgänger für Zivilbevölkerung noch erhöht
Gary Toombs, HI-Experte für Kampfmittelräumung, unterstreicht, dass das Erdbeben die Gefahr für die Zivilbevölkerung noch verschlimmert hat. „Die Schäden an der kritischen Infrastruktur können wir noch nicht bewerten, aber wir wissen zum Beispiel, dass durch den Zusammenbruch des Al-Taloul-Damms im Norden von Idlib mehrere Dörfer überflutet wurden. Die Sturzfluten können nicht explodierte Sprengkörper und Munitionsreste mitgeschwemmt haben“, so Toombs. Der Einsatz in den betroffenen Gebieten ist technisch sehr anspruchsvoll, da es kaum schwere Maschine gibt. An vielen Stellen suchen Einsatzkräfte mit bloßen Händen nach verschütteten Opfern. Das Risiko durch Gas-Lecks, beschädigte Stromkabel, giftige Industriechemikalien, einstürzende oder unsichere Gebäude-Strukturen ist hoch. Dabei kann es jederzeit passieren, dass die Menschen versehentlich einen Sprengsatz berühren. „Die Situation ist sehr komplex und gefährlich, technisch geschulte und qualifizierte Experten müssen zur Unterstützung der Rettungs- und Bergungsmaßnahmen eingesetzt werden“, so Toombs.
Einige Fakten aus dem Landminen-Monitor 2022 (Berichtszeitraum: 2021 bis Oktober 2022)
- 2021/2022 gab es in Syrien 1.227 Tote und Verletzte durch Landminen
- Zwischen 2011 und 2021 wurden 11.104 Tote und Verletze gezählt
- Es wird geschätzt, dass zwischen 100.000 und 300.000 explosive Kriegsreste in Syrien nicht detoniert sind und daher eine aktive Bedrohung für die Bevölkerung in den kontaminierten Gebieten darstellen.
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