„Wenn ich stolpere, helfen mir meine Freunde hoch“
Die neunjährige Hae Tar ist froh, dass Freunde sie hat, die ihre Behinderung akzeptieren. Die auf sie warten, wenn sie für die holprigen Pfade des Flüchtlingslagers etwas länger braucht. Doch nicht alle Kinder im Camp sind so geduldig mit ihr.
Die Übungen im Rehabilitationszentrum helfen Hae Tar, beweglich zu bleiben und die Beinmuskulatur zu stärken | © W. Huyghe / Handicap International
Es muss das Funkeln in ihren dunklen, lächelnden Augen sein. Oder ist es ihr ansteckendes Lachen? Aus irgendeinem Grund jedenfalls dauert es eine Weile, bevor man bemerkt, dass Hae Tar Gray tatsächlich eine Behinderung hat. Eines ihrer Beine ist nach außen gekrümmt und scheint ein bisschen einsam neben dem anderen zu baumeln. Sie kann es nicht belasten.
Laufen ist eine wahre Herausforderung für das junge Mädchen, besonders das Erklimmen der steilen Hänge im Flüchtlingslager. Auch der Weg zu ihrer Hütte ist voller Hindernisse. Um zu ihrem Bambushaus zu gelangen, muss sie über ein 1,5 Meter breites Loch hüpfen. Selbst ihre Geschwister ohne Behinderung müssen dafür einige akrobatische Fähigkeiten an den Tag legen. Doch Hae Tar ist es so gewohnt, sie hat nie etwas anderes gekannt. Sie war kaum ein Jahr alt, als ihre Familie aus Myanmar nach Thailand floh, wo sie seither im Flüchtlingscamp lebt.
„Hae Tar vergisst manchmal, dass sie eine Behinderung hat“
Das verrät uns besorgt ihre 16 Jahre alte Schwester Naw Gray Poe, das vierte von neun Kindern. Sie begleitet Hae Tar zum Rehabilitationszentrum von Handicap International und vergewissert sich, dass sie ihre Übungen ordentlich macht. „Es ist gut, dass sie übt, aber ich bin oft besorgt, dass sie hinfallen könnte. Besonders in der Regenzeit, wenn das Camp überflutet ist und die Wege zu rutschigen und gefährlichen Hindernissen werden.“
Eine zukünftige Lehrerin
Hae Tar zuckt dabei einfach mit den Schultern und lächelt: „Wenn ich stolpere, dann helfen mir meine Freundinnen hoch.“ Das Mädchen hat das große Glück, ein paar enge Freundinnen und Freunde zu haben, die oft zu Besuch kommen. Manchmal bringen sie dann ein paar Blätter von Bäumen mit, um gemeinsam spielen Sie dann „Küche“. Manchmal überwindet sich Hae Tar und spielt mit den Freunden ihr Lieblingsspiel: Himmel-und-Hölle. Mutig ignoriert sie dabei die Schmerzen, die das Hüpfspiel mit sich bringt.
Leider erlebt sie jeden Tag, dass nicht alle so sind wie ihre Freundinnen und Freunde. Wenn sie Fußball mit den anderen Kindern spielen will, machen die ihr schnell klar, dass sie es nicht kann. Dann geht sie und spielt irgendwo alleine. Das passiert so oft, dass Hae Tar schon gar nicht mehr zählen will. Als Kind mit Behinderung wird ihr ein Platz im Lager zugewiesen, und den akzeptiert sie…
Doch Hae Tar weigert sich, sich einsam zu fühlen. Während die anderen Kinder spielen, nimmt sie zusätzlichen Englischunterricht:
„Ich will Lehrerin werden. Ich bin schon in der dritten Klasse“, sagt Hae Tar stolz auf Englisch.