Vor dem Krieg hatten wir unser eigenes Haus und ein Auto. Wir lebten mit unseren sechs Kindern glücklich zusammen.
Der Staub der Explosionen
In unserem Heimatort wurde sehr viel bombardiert und geschossen. Daher zogen wir in eine andere Gegend um. Wieder und wieder. Aber jedes Mal, wenn wir irgendwo ankamen, hatten wir das Gefühl, dass überall Bomben fielen.
Unsere Flucht begann im Juli 2012, während des Ramadan. Die Bombenangriffe eskalierten. Unser Haus war zerstört. Wir hatten alles verloren. Wir hatten keine Zeit uns vorzubereiten, daher konnten wir nichts retten. Als wir losrannten, lag unser Ort noch im Staub der Explosionen, wir konnten kaum etwas sehen, nur dass alles zerstört war.
Ich wurde verletzt, als unser Haus bombardiert wurde. Mein Fuß war geschwollen und ich hatte offene Wunden am Bein. Ich hatte nicht einmal Zeit, mir Schuhe anzuziehen. Also lief ich am ersten Tag acht Stunden lang barfuß. Ohne Pause. Wir machten aus einem Stück Holz, das wir am Wegesrand fanden, einen Wanderstock. Als es mir zu schwer fiel, trug mich mein Mann. Hin und wieder versuchte er, die Wunde zu desinfizieren. Aber wir hatten nur Wasser und Salz. Die Infektion verschlimmerte sich auf dem Weg. Jetzt kann ich kaum noch gehen. Wir marschierten 45 Kilometer bis wir unser erstes Ziel erreichten.
Seit wir losgezogen sind, hat sich unser Leben sehr verändert. Wir konnten nicht immer etwas zu essen oder Wasser finden. Tagelang haben wir überhaupt nichts gegessen.
Drei Jahre auf der Straße
Wir benutzten keine Autos zur Flucht. Autos waren oft das Ziel von Bombenangriffen und Beschuss, das war zu gefährlich. Also gingen wir zu Fuß. Wir mieden Häuser und Gebäude, liefen quer über Felder, durch Obstplantagen und Wälder. Die Bäume waren unser bester Schutz. Wir liefen von Baum zu Baum, um uns zu schützen. Wir mieden die Straßen, denn die waren am gefährlichsten. Immer wieder trafen Bomben und Geschosse auf die Straße. Natürlich mussten wir große Umwege machen, um Soldaten und Kontrollposten zu umgehen. Wir hielten uns auch so weit wie möglich von Armeekasernen und allem Militärischen fern. Aber selbst das brachte uns nicht außer Gefahr.
Immer wenn wir Flugzeuge oder Bomben sahen, legten wir uns auf den Boden, versteckten uns unter Bäumen, in Büschen, in Gräben. Jede natürliche Vertiefung im Boden, in die wir uns hineinlegen konnten, diente unserem Zweck. Dann warteten wir, dass die Bombardierung nachließ. Wenn wir dachten, es sei wieder ruhig, setzten wir unseren Marsch fort.
Nachts zu laufen erschien uns sicherer, daher marschierten wir manchmal die ganze Nacht durch. Wir zogen es vor, im Freien zu schlafen, auf dem nackten Boden, im Gebüsch oder unter Bäumen. Das alles ohne Decken, denn wir hatten keine dabei. Die vielen Häuser, Lagerschuppen oder Bauernhäuser schienen uns keine Schutzräume zu sein, sondern eher Ziele für Bomben.
Verzweifelte Suche nach Sicherheit
Wir waren Hunderte von Menschen. Einige waren mit uns zusammen losgelaufen. Andere kamen unterwegs hinzu, weil ihr Haus zerstört worden war oder sie sich ebenfalls vor den Bomben fürchteten. Oder einfach weil es sicherer schien, zusammen zu bleiben. Niemand von uns wusste, wohin wir gingen. Wir rannten stets vor der Zerstörung und der Gefahr davon, in der Hoffnung, einen sichereren Ort zu erreichen. Aber wir wussten nicht, wo der sein könnte. Wir liefen blindlings. Wir hatten kein klares Ziel. Die meiste Zeit wussten wir nicht genau, wohin uns der eingeschlagene Weg führen würde. Doch das war nicht wichtig. Die einzige Frage von Bedeutung war: Sind wir sicher, sind unsere Kinder sicher? Welcher ist der beste Weg, um aus der Gefahrenzone herauszukommen? Wir wollten sichergehen, dass wir so weit wie möglich von der Gefahr entfernt waren. Das war alles, woran wir dachten.
So verbrachten wir insgesamt zwei Jahre größtenteils unterwegs. Im heißen syrischen Sommer, wenn die Temperaturen vierzig Grad erreichten und auch im frostigen Winter. Ich zog es vor, während des Winters zu laufen, es war kalt, aber mein Fuß tat nicht so weh.
Die Landminen
Und dann waren da die Landminen. Sie waren überall. Besonders im Umfeld der Städte, in den Dörfern, bei Häusergruppen und Bauernhöfen. Es gab Minen auf den Feldern und am Straßenrand. Viele Menschen kamen durch sie um. Mein Schwager starb und unser Neffe wurde bei der Explosion, die seinen Vater tötete, verletzt.
Um den Landminen aus dem Weg zu gehen, suchten wir nach Fußspuren oder Spuren von Autos, Lastwagen, Traktoren oder Panzern. Dann versuchten wir alle sehr vorsichtig, auf diesen Spuren zu gehen. Wir gingen in einer Reihe, mit fünf bis zehn Metern Abstand voneinander. Wir waren hunderte Menschen in einer langen Reihe, die so weit reichte, wie man sehen konnte. Trotzdem half das nicht immer. Wenn jemand auf eine Landmine trat und starb, stürzten wir alle zu Boden, bis der Lärm vorüber war. Wir mussten die Toten dort zurücklassen, denn wir konnten unseren Marsch nicht unterbrechen. Auch wenn Menschen schrien und viele weinten, konnten wir nicht lange anhalten. Bei den vielen Minen wäre selbst ein Begräbnis zu gefährlich gewesen.
Die Bombenangriffe und der Beschuss gehen immer noch weiter. Die Landminen sind immer noch da. Alles geht immer noch weiter. Selbst wenn wir nach Syrien zurückkehren wollten, hätten wir keine Bleibe, kein Haus. Es gibt dort keine Möglichkeit mehr zu leben.
Jede Stimme zählt! Helfen Sie uns bei unserem Engagement gegen die Bombardierung der Zivilbevölkerung und unterzeichnen Sie unsere Petition STOP! Bombing Civilians!