Die HI-Botschafterin ist tief berührt vom Schicksal der Kinder mit Behinderung im Flüchtlingslager Kakuma in ihrem Heimatland Kenia.
Im Spielzentrum von Kakuma wimmelt es nur so von Kindern, mit und ohne Behinderung. Hier dürfen sie einfach nur spielen und werden von den HI-Fachkräften dabei angeleitet. „Es ist so traurig, ihre Geschichten zu hören. Aber irgendwie strahlen sie auch eine positive Energie aus. Vielleicht ist das so, weil sie noch nicht wissen, wie das Leben ist“, sagt Nicole nach dem Besuch des Zentrums nachdenklich und wischt sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Viele Kinder können nicht laufen, sind geistig behindert, taub oder blind. Aber trotzdem schallt ein fröhliches Lachen über den Spielplatz.
HI gibt Hoffnung an einem oftmals hoffnungslosen Ort
Nicole hat eine kleine Freundin gefunden. Amina Osman aus Somalia kuschelt sich vertrauensvoll in ihre Arme. Hingebungsvoll starrt das geistig und körperlich behinderte Mädchen in das strahlende Lachen des Supermodels, die im Alter von 10 Jahren Kenia verlassen hat und seitdem in Dresden lebt, wenn sie nicht gerade irgendwo auf der Welt auf den Laufstegen unterwegs ist. „Es ist echt krasser, als ich dachte“, sagt Nicole, als sie sich von den Kindern verabschiedet hat.
„Das Leben ist manchmal so ungerecht“
Besonders betroffen ist Nicole vom Schicksal von Anett Poni. Die 28-Jährige erkrankte mit 4 Jahren an Kinderlähmung. Ihr rechtes Bein ist seitdem verkrüppelt. Anetts Mann ist im Krieg in Südsudan ums Leben gekommen, so packte sie ihre sechs Kinder, schaffte es irgendwie an die Grenze und ins Flüchtlingslager. Dank der Hilfe von HI hat sie jetzt ein kleines Restaurant, hat sogar eine Angestellte. Anett brät in der brütenden Hitze in zischendem Öl Schmalzgebackenes für den Verkauf. Gelegentlich wischt sich die Frau, die ihr erstes Kind bereits mit elf Jahren bekam, den Schweiß aus der Stirn. Wofür sie ihr kleines Einkommen ausgibt? Für die Schulbücher ihrer Kinder und für ein neues Dach. Das alte Blechdach ist beim letzten Wüstensturm weggeflogen. Noch steht sie auf der Warteliste für einen chirurgischen Eingriff in Nairobi. Zu Voruntersuchungen war sie schon dort. Bald soll sie eine Prothese bekommen und so sehr viel mobiler werden. Nicole muss sich wegdrehen, die Tränen rinnen über ihr Gesicht, als Anett ausdruckslos ihre Geschichte erzählt. „Das Leben ist manchmal so ungerecht“, flüstert sie. „Das ist so beeindruckend, dass diese Frau so stark ist und so viel Hoffnung hat. Viele würden einfach aufgeben, aber sie macht immer weiter“, meint Nicole, sichtlich bewegt.
Nicole mit Anett Poni, einer jungen Mutter, die selbst als Kind an Kinderlähmung erkrankte und nun ein verkrüppeltes Bein hat. © Neil Thomas/HI
Aufbau einer inklusiven Schule
„Ich finde es so toll, dass HI Kindern und Erwachsenen mit Behinderung hilft und ihnen Hoffnung gibt“, sagt Nicole anerkennend. Über 100 Mitarbeiter von Handicap International bieten Physiotherapie an, helfen ihnen mit Rollstühlen oder Prothesen. Und sie gehen zu all den Familien nach Hause, die nicht in die Zentren kommen können. Viele Mitarbeiter sind selber als Geflüchtete ins Lager gekommen und wurden von der Hilfsorganisation ausgebildet. Sie sind auch deshalb besonders wichtig, da sie die Patienten in ihrer Muttersprache ansprechen können. Das primäre Ziel von HI: eine inklusive Schule aufzubauen. Die Lehrmaterialien werden schon erstellt und Lehrer ausgebildet, damit noch viel mehr Kinder in die Schule gehen dürfen. Nur so haben sie eine Chance auf ein eigenständiges Leben.
Reich beschenkt vom Leben
Nicole kämpft immer wieder mit ihren Emotionen. Schließlich ist sie selber bei der Großmutter in einem Dorf bei Kisumu aufgewachsen. Ihre Mutter suchte beruflich ihr Glück in Deutschland. Mit 10 Jahren folgte das Mädchen ihr nach Dresden, erlernte die Sprache, besuchte dort das Gymnasium und im Alter von 16 Jahren wurde sie als Model entdeckt. Sie schaffte ihr Abitur und ist nun auf den Laufstegen in London, Paris, Mailand und New York unterwegs. Sie ist eines der erfolgreichsten und meistgefeierten internationalen Models – und im Herzen ein Mädchen aus Dresden, das sich auch in Kenia zuhause fühlt. Sie selber fühlt sich so reich beschenkt vom Leben, dass sie gerne etwas zurückgeben möchte – indem sie Botschafterin von Handicap International ist und darauf aufmerksam machen möchte, dass Menschen mit Behinderung dieselben Chancen im Leben haben müssen.