Gaza: gnadenloses Blutbad
Mehr als 610 Menschen wurden bei den jüngsten Demonstrationen am vergangenen Freitag an der Grenze zwischen Israel und Gaza verletzt. Insgesamt mussten 250 Personen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Seit Beginn der Demonstrationen im März sind rund 15.000 Menschen verletzt worden. Bruno Leclercq, HI-Projektleiter in Palästina, beschreibt die katastrophale humanitäre Situation vor Ort.
HI ist mit 10 mobilen Teams in Gaza im Einsatz. | © Hardy Skills/HI
Richtige Behandlung der Wunden ist essenziell
Die meisten Patienten, die wir versorgen, haben Schusswunden am Oberschenkel oder Schienbein. Sie sind oft jung und haben komplexe Brüche. Die Pflege – regelmäßige Wundreinigung, Verbandwechsel usw. – ist unerlässlich, um Infektionen und Komplikationen zu vermeiden. Per Definition ist eine Schusswunde eine verunreinigte Verletzung und das Infektionsrisiko ist hoch.
Gefahr der Amputation
Viele Verletzte werden mehrere Operationen benötigen. Nach Angaben des Internationalen Komitees des Roten Kreuz (IKRK) werden in den kommenden Wochen 4.000 Operationen notwendig sein. Vermutungen zufolge können bei einem Drittel der Verletzungen an den unteren Extremitäten Komplikationen auftreten, die wiederum zu Amputationen führen könnten.
Überlastetes Gesundheitssystem
Etwa 8.000 Menschen wurden seit März letzten Jahres ins Krankenhaus eingeliefert. Die Krankenhäuser in Gaza mussten mit einer großen Zahl von Opfern in einer sehr kurzen Zeit fertig werden. Das Gesundheitssystem ist bereits durch Engpässe und Einschränkungen, insbesondere bei medizinischen Geräten und Verbrauchsmaterialien, überlastet. Unter diesen Bedingungen ist die Bewältigung der Notlage, einschließlich chirurgischer Eingriffe und Nachsorge, eine echte Herausforderung.
Die aufgeschobene Versorgung anderer Patienten ist einer der schwerwiegenden Dominoeffekte dieser Krise: Viele werden nicht behandelt, weil sich Krankenhäuser und Gesundheitszentren auf die Verletzten der Demonstrationen konzentrieren.
Bruno Leclercq im Video-Interview
Gesellschaftliche Folgen
Viele Opfer kommen aus bescheidenen Verhältnissen. Sie sind bettlägerig und können sich nicht bewegen. Einige trugen zum Einkommen der Familien bei, die sich nun um einen vorübergehend behinderten Angehörigen kümmern müssen.
HI verstärkt seine Teams
Wir planen, zusätzlich zu den bereits bestehenden zehn Teams zwei weitere mobile Teams aufzubauen. Diese mobilen Teams bestehen aus Rehabilitationsexperten, Psychologen und Sozialarbeitern. Sie werden die Verletzten und ihre Familien mit Reha-Maßnahmen und psychologischer Unterstützung versorgen.
Außerdem planen wir, unsere Bestände an medizinischen Kits – Gummihandschuhe, Bandagen usw. – und Mobilitätshilfen wie Rollstühle, Krücken, Gehhilfen etc. zu erhöhen. Der Bedarf ist immens.