Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Gaza: Schussverletzung – ein traumatisches Erlebnis

Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie
Palästinensische Gebiete

Ahmed ist erst 15 Jahre alt. Bei einer Demonstration an der Grenze zwischen Gaza und Israel wurde er am rechten Oberschenkel oberhalb des Knies angeschossen. Jetzt ist er bei HI in Behandlung. Sobald seine Wunde vernarbt ist, kann er mit der Physiotherapie beginnen. HI steht im außerdem mit psychologischer Unterstützung zur Seite, um das Erlebte zu verarbeiten.

Ahmed zuhause auf seinem Bett mit einem Mitarbeiter des HI-Teams.

Ahmed zuhause auf seinem Bett mit einem Mitarbeiter des HI-Teams. | © Yousef El-Natil/HI

Ahmed lebt im Distrikt Khan Younis als Sohn einer Familie mit vier Kindern. Sein Vater schlägt sich mit kleinen Jobs durchs Leben, seine Mutter ist Hausfrau. Es ist ein schwieriges Viertel, in dem es nicht einmal öffentlichen Nahverkehr gibt. Die Familie musste ein Taxi zahlen, um Ahmed ins Krankenhaus zu bringen – obwohl sie mit ihrem geringen Einkommen schon ums tägliche Überleben kämpft. In ihrer Wohnung leben zahlreiche Cousins mit der Familie zusammen – auf allerengstem Raum. Seit seiner Verwundung schläft Ahmed auf einem alten Sofa im Wohnzimmer.

Von einer Kugel getroffen

Ahmed wurde am rechten Bein knapp oberhalb des Knies von einer Kugel getroffen, als er an einer Demonstration teilnahm. An den Vorfall und den Schmerz kann er sich nur allzu gut erinnern. Er steht immer noch unter Schock:

„Ich spürte einen heftigen Schlag an meinem Bein und dann sah ich, dass ich viel Blut verlor. Ich schrie und fiel hin. Für ein paar Sekunden verlor ich jegliches Gefühl in meinem ganzen Körper.“

Das Reha-Team von HI wartet auf grünes Licht der Ärzte, um mit der Physiotherapie starten zu können. Die psychologische Unterstützung hingegen hat schon begonnen. Das ist besonders wichtig, da Patienten wie Ahmed durch die plötzliche Bewegungseinschränkung eine Depression entwickeln können. Auch starke Angstgefühle sind nicht selten – die Angst davor, nie wieder richtig laufen zu können. Die Gespräche mit den Psychologen helfen dem Patienten sich zu motivieren und die Reha-Übungen regelmäßig durchzuführen.

„Ich will wieder in mein normales Leben zurück. Im Moment kann ich mich nicht einmal alleine bewegen“, erklärt Ahmed etwas verängstigt. „Ich kann nicht mehr wie früher zur Toilette gehen. Ich muss meinen Bruder bitten, dass er mich begleitet. Das ist beschämend. Ich will den externen Fixateur an meinem Bein endlich loswerden.“

Seit zwei Wochen wird Ahmed vom mobilen Team von HI begleitet und ist nicht mehr ganz so niedergeschlagen. In seiner Genesungszeit wird er noch viel Unterstützung bei seinen Reha-Übungen brauchen. Doch diese werden ihm dabei helfen, wieder ganz normal laufen zu können.

Die Krise in Gaza und der Einsatz von HI

Seit Beginn der Proteste im März an der Grenze zwischen Gaza und Israel wurden mindestens 1 Menschen getötet und 14.000 verletzt (mind. 500 Verletzte bei aktuellen Demonstrationen am Freitag, 8. Juni), von denen über die Hälfte in Krankenhäuser eingeliefert werden musste. Laut der Weltgesundheitsorganisation weisen 3.778 Menschen Schussverletzungen auf, davon sind 1.191 Kinder. Etwa 58 Prozent leiden an Schussverletzungen der unteren Gliedmaßen. Die WHO schätzt, dass 11 Prozent1 der Verletzten eine dauerhafte Behinderung davontragen könnten – das wären über 1.000 Menschen. Die Krankenhäuser sind überfüllt und die Patienten müssen wegen Überbelegung vorzeitig entlassen werden, sodass ihre postoperative Versorgung nicht gewährleistet ist. Dadurch können Infektionen und Komplikationen entstehen, die zu Folgekrankheiten und bleibenden Behinderungen führen.

Um dieser Notlage entgegenzuwirken, haben HI und lokale Partner vor Ort 10 mobile Teams aufgestellt, die speziell für Reha-Maßnahmen und Notfallsituationen geschult sind. Ihre Aufgabe ist es, die Reha-Versorgung und psychologische Unterstützung der Verletzten und ihrer Familien sicherzustellen.

 

[1] http://healthclusteropt.org/pages/3/situation-reports

8 Juni 2018
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

Syrien: Mohamed ist vom Krieg gezeichnet
© A. Rahhal / HI
Minen und andere Waffen Rehabilitation und Orthopädie

Syrien: Mohamed ist vom Krieg gezeichnet

Der Krieg in Syrien hat tiefe Narben hinterlassen - in den zerstörten Städten, in den Herzen der Menschen und im jungen Leben von Mohamed. Der 12-Jährige trat vor vier Jahren auf einen Blindgänger und verlor sein Bein. Doch sein Mut und die Hilfe von Handicap International ebneten ihm den Weg zurück ins Leben. Heute kann Mohamed wieder lachen, gehen und mit seinen Freunden spielen.

Sudan: Flucht vor dem Krieg, ohne laufen zu können
© T. Nicholson / HI
Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

Sudan: Flucht vor dem Krieg, ohne laufen zu können

Omran stammt aus der Region Darfur im Sudan. Der 9-Jährige hat zerebrale Kinderlähmung und kann nicht laufen. Bei den Gefechten und Bombardierungen starben sein Vater, Großvater und Cousins. Seine Mutter Djimilla entschloss sich daraufhin mit ihren Kindern in den Tschad zu fliehen. Sie trug Omran den ganzen Weg auf dem Rücken.

DR Kongo: Mit einer Prothese zurück ins Leben
© E. N'Sapu / HI
Minen und andere Waffen Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

DR Kongo: Mit einer Prothese zurück ins Leben

Nach einer Explosion in Nord-Kivu verlor Espoir sein Bein und seine Freunde. Anschließend musste er vor der Gewalt in seiner Heimatstadt Kitshanga fliehen. Seine Eltern hat er seitdem nie mehr gesehen. Doch er gibt nicht auf: Dank einer Prothese von Handicap International kann er wieder zur Schule gehen und träumt von einer besseren Zukunft.