Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Ukraine: „Ich hatte keine Medikamente für meine herzkranke Tochter.“

Ukraine

Als der Krieg ihre Heimat Mariupol erreicht, muss Antonina alles zurücklassen – und um das Leben ihrer Tochter bangen. Für die kleine herzkranke Varvara ist die Flucht bei eisigen Temperaturen besonders schwierig. Sie braucht Medikamente und medizinische Versorgung, die es plötzlich nirgends mehr gibt.

Eine Frau und ihre Tochter liegen auf dem Rücken und lächeln in die Kamera. Neben dem kleinen Mädchen liegt ein Tierluftballon.

Ein Bild aus der Vergangenheit: Antonina und Varvara, bevor der Krieg ihr Leben veränderte. | © A. Telytsia / HI

Das Leben vor dem Krieg in der Ukraine

Antonina führt ein ruhiges Leben in Mariupol. Sie unterrichtet an einer Schule, lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in einer bescheidenen, aber glücklichen Umgebung. Ihre jüngste Tochter Varvara, damals sieben Jahre alt, hat einen angeborenen Herzfehler und braucht medizinische Hilfe, doch die Kleine ist fröhlich. Und dann verändert der Krieg plötzlich alles.

Bombardierungen in Mariupol - der Alptraum beginnt

Als die ersten Bomben fallen, gerät das Leben der kleinen Familie aus den Fugen. Lebensmittel werden knapp, und ständige Angriffe erschüttern die Stadt. Die Versorgung bricht zusammen, Apotheken werden geplündert, Krankenhäuser sind komplett überlastet. Und dann wird Varvara auch noch krank. Ein heftiger Husten quält sie – eigentlich eine einfache Erkältung, die ohne Medikamente für das herzkranke Mädchen aber schnell lebensbedrohlich werden kann.

„Ich hatte Glück, noch eine Schachtel Antibiotika zu Hause zu haben. Ich weiß nicht, was sonst passiert wäre – vielleicht eine Lungenentzündung. Ich konnte nicht weinen, ich musste funktionieren. Ich war nie eine große Kämpferin, aber ich wusste, dass ich alles tun musste, um meine Kinder zu retten.“

Die Flucht aus Mariupol ist furchtbar

Der Beschuss wird immer heftiger. Als ihr Wohnhaus getroffen wird, muss die Familie fliehen. Zusammen mit sechs weiteren Menschen, zwei Katzen und einem Hund quetschen sie sich in ihr Auto – fast ohne Benzin. Der Weg in die nächste Stadt, normalerweise eine kurze Fahrt, dauert elf Stunden. Es ist eiskalt, die Straßen sind voller verzweifelter Menschen. Mit jedem Kilometer lässt Antonina ein weiteres Stück ihres alten Lebens hinter sich – doch sie weiß, dass es keine Alternative gibt. 

„Die Fahrt aus Mariupol hinaus war schrecklich. Ich war erleichtert, dass wir wegkamen. Aber es brach mir das Herz, alles zu verlieren – und die Menschen zurücklassen zu müssen, die nicht fliehen konnten.“

Ein neuer Weg – für sich und andere 

Heute lebt Antonina in Kiew. Ihre Tochter hat eine Herz-OP hinter sich und ist als Kind mit Behinderung anerkannt – eine Tatsache, die in der Ukraine noch immer mit viel Stigma verbunden ist. Doch der Krieg hat etwas verändert: Die Not macht sichtbar, wie dringend Schutz und medizinische Versorgung für gefährdete Gruppen sind. Inzwischen arbeitet Antonina bei Handicap International als Inklusionsbeauftragte. Sie setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Behinderung, vertriebene Familien und alle, die dringend medizinische Hilfe brauchen, nicht vergessen werden. Der Krieg hat das ukrainische Gesundheitssystem an seine Grenzen gebracht – umso wichtiger ist es, dass niemand durchs Raster fällt.

„Ich liebe meine Arbeit, weil sie es mir ermöglicht, Menschen in Situationen wie der unseren zu helfen – Menschen, die medizinische Versorgung brauchen und gesehen werden wollen.“

Trotz der ständigen Luftangriffe und der Unsicherheit gibt Antonina nicht auf. Sie lebt für ihre Kinder, für ihre Arbeit – und für die Hoffnung, dass niemand diesen Krieg allein durchstehen muss.
 

 

 

11 Februar 2025
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