Ukraine: „Wer hilft diesen Menschen, wenn wir es nicht tun?“
Yurivka ist ein kleines Dorf in der Ostukraine, umgeben von Weizenfeldern in der Region Dnipro. Seit Februar 2022, als der Krieg zwischen der Ukraine und Russland eskalierte, kamen Hunderte Familien aus den Regionen Charkiw und Donezk hierher, um sich vor den Bomben zu schützen. Viele leben noch immer in Yurivka. HI-Sozialarbeiterin Olesia kümmert sich um sie.
© H.Kostenko / HI
Von Notunterkunft zum Lebensraum
Die Dorfbewohner organisierten schnell Hilfe für die Neuankömmlinge, die alles verloren hatten. In nur wenigen Tagen wurde die Kinderbibliothek des Dorfes zu einer Unterkunft für die Geflüchteten umgebaut. Mittlerweile, im dritten Jahr des Krieges, kämpfen die Menschen im Osten und Süden der Ukraine weiter. Viele der Vertriebenen haben sich daher entschieden, dauerhaft in Yurivka zu bleiben und ein neues Leben aufzubauen. Derzeit leben ca. 567 Vertriebene in dem Dorf (Stand: September 2024).
Die Mitarbeitenden von Handicap International sind in vielen Dörfern wie Yurivka unterwegs und ermitteln die individuellen Bedürfnisse von Menschen, die vom Krieg betroffen sind, wie z.B. Bombenopfer oder Menschen mit Behinderung. Diese Menschen werden dann an Reha-Fachleute oder Fachkräfte für psychologische Hilfe weitergeleitet. Dort bekommen sie Physiotherapie nach schweren Verletzungen und können in Therapie-Sitzungen über die traumatischen Erlebnisse sprechen.
„Wenn wir die Menschen nicht finden und ihre Bedürfnisse ermitteln, erfährt niemand, dass sie Hilfe brauchen“, sagt Olesia, eine Sozialarbeiterin von HI, die auf Opferhilfe spezialisiert ist.
Inna und ihre Familie: Flucht innerhalb der Ukraine
Das Zentrum hat sich mittlerweile von einer Notunterkunft zu einem Gemeinschaftsraum entwickelt. Es ist ein Ort, an dem Einheimische und Vertriebene zusammenkommen, sich unterstützen und wo Anwohner sogar einen kleinen Laden eingerichtet haben. Dort wird gebrauchte Kleidung zu günstigen Preisen für alle angeboten.
Inna, die früher Lehrerin für Kinder mit Behinderung war, kam nach Yurivka, nachdem eine Bombe 150 Meter neben ihr explodierte und alles zerstörte.
„Ich erinnere mich, dass wir vom Haus meines Vaters nach Hause gingen. Glücklicherweise konnten wir uns unter einem Zaun verstecken, als die Bombe ganz in unserer Nähe einschlug.“
Inna wurde von HI-Teams betreut, die ihr halfen, das Erlebte psychologisch zu verarbeiten. Seit ihrer Ankunft mit ihrer Familie im August 2022 ist das Aufnahmezentrum ein Ort, an dem sie zur Ruhe kommt und „andere Gedanken fassen“ kann. Sie besucht die ehemalige Kinderbibliothek regelmäßig. Dort erinnert sie sich an ihr „altes Leben“ zurück, wo sie mit sehbehinderten Kindern in die Bücherei ging und Teil einer Gruppe für Volksgesang war.
Unterkunft und Schulmaterial
Auch Alyona, eine 36-jährige Ukrainerin aus Rubizhne (Region Luhansk), musste mit ihrem Mann und ihrem Sohn fliehen. Für sie ist eine sichere Unterkunft und Schulmaterial für ihr Kind besonders wichtig. Fast drei Jahre nach ihrer Flucht lebt sie noch immer in einer engen Unterkunft mit anderen Vertriebenen. Aber ihr Sohn kann hier wieder zur Schule gehen. Notizbücher, Stifte, eine Schultasche – kleine Symbole des Alltags, die Hoffnung auf ein „fast normales Leben“ geben.
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