Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Schutz und Inklusion geflüchteter Menschen mit Behinderung sichern und stärken!

27.11.2024

Eine Familie steht vor einem zerstörten Haus.

Eine Familie steht vor einem zerstörten Haus. | © HI

Schätzungsweise 10-15% der geflüchteten Menschen in Deutschland haben eine Behinderung. Auch für sie gilt die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland uneingeschränkt. Geflüchtete Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit, Autonomie und Selbstbestimmung sowie Teilhabe und Inklusion.  

Doch im deutschen Asyl- und Aufnahmesystem sind sie mit zahlreichen Barrieren und Exklusionsmechanismen konfrontiert. Schutz- und Unterstützungsbedarfe bleiben oft unerkannt und werden in vielen Fällen im Asyl- und Aufnahmeverfahren nicht berücksichtigt. Das Asylbewerberleistungsgesetz verhindert vollen Zugang zu Pflege-, Teilhabe- und behinderungsspezifischen Gesundheitsleistungen. Auch sind viele Unterbringungsmöglichkeiten weiterhin nicht bedarfsgerecht und verstärken Exklusion. Wenige bedarfsgerechte Angebote bei Integrationskursen und fehlende Inklusionspraktiken erschweren für geflüchtete Menschen mit Behinderung zudem das Erlernen der Sprache. Die Mitte 2024 eingeführte Änderung im Staatsangehörigkeitsgesetz, in Folge dessen Menschen mit Behinderung keinen Einbürgerungsanspruch mehr haben, wenn sie aufgrund ihrer Behinderung nicht oder nicht voll erwerbsfähig sind, schließt ebenfalls viele geflüchtete und migrierte Menschen mit Behinderung von gleichberechtigter Mitbestimmung aus. 

Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, gehören zu unserer Gesellschaft und genießen vollumfänglich Rechte nach der UN-BRK und nach dem Grundgesetz, unter anderem in Bezug auf Würde, Gesundheit, Gleichbehandlung und auf Asyl. Dazu braucht es bezüglich der Bundestagswahl 2025 ein klares Bekenntnis.

Unsere Forderungen an die demokratischen Parteien zur Bundestagswahl: 

  • Es bedarf eines klaren Bekenntnisses zum internationalen Flüchtlingsschutz, zum europäischen Recht auf Asyl und dem deutschen Grundrecht auf Asyl genauso wie zur UN-Behindertenrechtskonvention. Sich zum Flüchtlingsschutz zu bekennen, bedeutet auch, Zurückweisungen an den Grenzen ohne Prüfung von Fluchtgründen, die Auslagerung von Asylverfahren und Abschiebungen um jeden Preis abzulehnen. Sie treffen vor allem vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Behinderung, schwer. Diese stehen jedoch unter besonderem Schutz, der nicht aufgeweicht werden darf. Handicap International e.V. fordert zudem die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), da es die Menschenwürde verletzt und Personen mit Behinderung entgegen dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung den Zugang zu gleichwertigen Teilhabe- und Versorgungsleistungen verweigert. Solange das Asylbewerberleistungsgesetz noch in Kraft ist, müssen  zumindest Versorgungsansprüche von Menschen mit Behinderung bundesgesetzlich integriert, Sanktionen und Leistungsausschlüsse aufgehoben werden. Geflüchtete Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf angemessene Versorgung und Teilhabe von Anfang an (CRPD/C/DEU/CO/2-3, Rn. 15 c, 16 c, 41 a, b, 42 a, b, 57d, 58 d, 67e, 68 e).
  • Die Schutz- und Aufnahme-Garantien der neuen EU-Aufnahme-Richtlinie, die bis Sommer 2026 umgesetzt werden muss, sind vollständig in Einklang mit der EU-Grundrechtecharta, der UN-BRK und dem Grundgesetz umzusetzen. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu gewährleisten: die Identifizierung und Berücksichtigung behinderungsspezifischer Bedarfe bei Verteilung, Versorgung und Unterbringung sowie die bundesgesetzliche Verankerung dieser Garantien. Auch Asylverfahren müssen bedarfsgerecht gestaltet sein, einschließlich barrierefreier Information und der Anerkennung behinderungsspezifischer Fluchtgründe. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollten Sonderbeauftragte, die für die Anhörung von Menschen mit Behinderung speziell geschult und für ihre Bedarfe gezielt sensibilisiert wurden, eingesetzt werden. 
  • Gesellschaftliche Teilhabe darf nicht einer ökonomischen Verwertungslogik zum Opfer fallen. Das bedeutet vor allem:  Integrationskurse für Menschen mit Behinderung müssen weiter gefördert und besser auf behinderungsbedingte Bedarfe ausgerichtet werden. Auch der Ausschluss vom Einbürgerungsanspruch bei unverschuldetem Sozialleistungsbezug muss gerade für Menschen mit Behinderung aufgehoben werden.
  • Komplementäre Zugangswege, wie der Familiennachzug, humanitäre Aufnahmeprogramme und Resettlement müssen vollumfänglich erhalten bleiben und weiter ausgebaut werden. Denn gerade Menschen mit Behinderung, die besonders schutzbedürftig sind, sind nicht immer in der Lage, die Unwägbarkeiten der individuellen Flucht auf sich zu nehmen. Menschen mit Behinderung müssen systematisch bei der Förderung sicherer Zugangswege mitgedacht werden. Denn gerade Menschen mit Behinderung, die besonders schutzbedürftig sind, sind nicht immer in der Lage, die Unwägbarkeiten der individuellen Flucht auf sich zu nehmen. Menschen mit Behinderung müssen systematisch bei der Förderung sicherer Zugangswege mitgedacht werden.
     

Mehr zu den Positionen von Crossroads I Handicap International e.V.  an der Schnittstelle Migration, Flucht und Behinderung finden Sie hier: Positionspapiere und Stellungnahmen - Projektseite: Crossroads