Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Inklusive und geschlechtergerechte humanitäre Hilfe fördern und fordern!

27.11.2024

HI-Mitarbeiterin mit einem Jungen mit Gehhilfe.

HI-Mitarbeiterin mit einem Jungen mit Gehhilfe. | © E. Fourt/HI

Menschen mit Behinderung machen ca. 16% der Weltbevölkerung aus. Trotz dieses großen Anteils werden die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nicht oder nur unzureichend beachtet. Dabei sind es oft erst die gesellschaftlichen Barrieren, die dazu führen, dass die gleichwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt wird. Erst so wird aus einer Beeinträchtigung eine Behinderung.  
Besonders deutlich wird dies in humanitären Krisensituationen, die auch für Menschen ohne Beeinträchtigung eine große Belastung und Gefährdung darstellen. Die unterschiedlichen Barrieren und Risiken, denen Menschen mit Behinderung bei Naturkatastrophen oder in Konfliktsituationen verstärkt gegenüberstehen, werden viel zu oft von Maßnahmen der humanitären Hilfe übersehen. Daten und Erfahrungen aus unseren Programmen zeigen, dass sich die Vulnerabilität und Risiken von Menschen mit Behinderung je nach Geschlecht und Alter aufgrund vorherrschender Geschlechternormen sogar noch verstärkt. 

Frauen sind in Krisensituationen besonders gefährdet: Sie werden selten in Frühwarnsysteme oder die Katastrophenplanung einbezogen und können sich aufgrund ihrer zugeschriebenen Rolle als Betreuerinnen und Mütter oft nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen, insbesondere wenn sie Angehörige mit eingeschränkter Mobilität begleiten. Dieses Risiko steigt aufgrund von Behinderung nochmals stark exponentiell an. Frauen mit Behinderung sind beispielsweise vor, während und nach humanitären Notsituationen einem noch höheren Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt als es Frauen ohne Behinderung bereits sind. Das Ziel „Leave No One Behind“ der Agenda for Humanity, zu der sich auch Deutschland verpflichtet hat, ist in der Nothilfe daher bei Weitem noch nicht erreicht. 

Seit 2009 hat die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) auch für Deutschland Gültigkeit. Mit Artikel 9 und 11 der UN-BRK ist die Regierung aufgefordert, die Barrierefreiheit ihrer Maßnahmen zu sichern und inklusive humanitäre Hilfe zu realisieren. Das bedeutet, dass auch deutsche humanitäre Organisationen vom Auswärtigen Amt als Geldgeber dazu aufgefordert sind, inklusive humanitäre Hilfe zu leisten. Um erste Erfolge auszubauen und Menschen mit Behinderung in humanitären Notlagen adäquate Hilfe anbieten zu können, benötigt es aber weiterer Zusammenarbeit – ein Fördern und Fordern inklusiver Maßnahmen in der humanitären Hilfe – mit der kommenden Bundesregierung. 
 

Unsere Forderungen an die demokratischen Parteien zur Bundestagswahl:

  • Die Parteien sollen sich dafür einsetzen, dass sich Deutschland international für die Beachtung der UN-BRK, besonders der Art. 9 und 11 UN-BRK, eintritt und Partnerländer bei ihren Bemühungen unterstützen. 
     
  • Eine zukünftige Bundesregierung soll sich einer inklusiven und geschlechtergerechten humanitären Hilfe verschreiben, die die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung in Überschneidung mit Geschlecht und Alter konsequent erfasst und einbezieht, um wirklich effektive Maßnahmen zu gewährleisten. Dazu werden Instrumente wie der Gender-Age-Disability-Marker transparent und systematisch angewendet und weiterentwickelt.
     
  • Die Bundesregierung achtet auf die Beteiligung marginalisierter Gruppen wie Menschen mit Behinderung und deren Vertretungsorganisationen, einschließlich frauengeführte Organisationen von Menschen mit Behinderung, an allen Bereichen der Planung und Umsetzung von humanitärer Hilfe, sowohl als Teil der betroffenen Bevölkerungsgruppe als auch als aktive Akteur*innen.  

 
Mehr zu Inklusion in der Humanitären Hilfe und der Arbeit unseres Projektes „Phase 3 – Leave No One Behind“ finden Sie hier: www.hi-deutschland-projekte.de/lnob/